Hat ein Verkäufer nach dem Kaufvertrag dafür einzustehen, dass der Vertragsgegenstand lastenfrei in das Eigentum des Käufers übergeht, kann Letzterer Preisminderung verlangen, wenn eine (den Vertragspartnern unbekannte) Dienstbarkeit eines Energieversorgers besteht. Eine solche kann auch außerbücherlich durch Ersitzung begründet werden.
Eine GmbH erwarb eine bebaute Liegenschaft, um dort nach Abriss der vorhandenen Baulichkeiten ein Betriebsgebäude zu errichten. Der Verkäufer übernahm im Kaufvertrag die Haftung für Lastenfreiheit. Erst im Zuge der Abbrucharbeiten erlangte die Käuferin Kenntnis davon, dass sich im Kellergeschoß eine Trafostation befand, die von einem Energieversorgungsunternehmen seit 40 Jahren betrieben wurde und auch der Stromversorgung benachbarter Liegenschaften diente. Der betreffende Raum im Keller war versperrt und mit einem Schild versehen, nach dem nur Mitarbeitern des Energieversorgers der Zutritt erlaubt ist. Nachdem sich der Energieversorger gegenüber der Käuferin auf ein (dingliches) Recht zum Betrieb dieser Trafostation berufen hatte, verlegte sie im Zuge der Bauarbeiten die Station mit erheblichen Kosten an eine andere Stelle der Liegenschaft. Der Verkäufer erklärte, von der Trafostation nichts gewusst zu haben, und bestritt die Berechtigung des Energieversorgers zu deren Betrieb. Wenn die Käuferin den Forderungen des Energieversorgers nachgegeben habe, gehe das den Verkäufer nichts an.
Die GmbH begehrte nun vom Verkäufer mehr als 200.000 EUR wegen eines zur Preisminderung berechtigenden Mangels der Liegenschaft. Der Energieversorger habe die Trafostation jahrzehntelang betrieben und damit ein entsprechendes Recht zumindest durch Ersitzung erworben. Der Verkäufer wendete unter anderem ein, dem Energieversorger sei zwar vom ursprünglichen Eigentümer ein vertragliches Nutzungsrecht eingeräumt worden. Dieses wirke aber nicht dinglich und hätte gegen die Käuferin nicht durchgesetzt werden können.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren mit der Begründung ab, es habe nicht festgestellt werden können, dass bei Abschluss des Kaufvertrages zu Gunsten des Energieversorgers ein dingliches Recht zur Errichtung und Betreibung der Trafostation bestanden hat. Damit habe die GmbH den Beweis einer vertragswidrigen Belastung der Liegenschaft nicht erbracht.
Der Oberste Gerichtshof hob diese Entscheidungen auf und ordnete eine Verfahrensergänzung durch das Erstgericht an, weil dieses keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen getroffen hat, um die Frage einer Ersitzung beurteilen zu können. Auch wenn der Inhalt der Vereinbarung zwischen dem Energieversorger und dem seinerzeitigen Liegenschaftseigentümer über den Betrieb der Trafostation nicht mehr ermittelt werden konnte, kommt ein Dienstbarkeitserwerb nach den allgemeinen Grundsätzen der Ersitzung in Betracht. Nimmt jemand eine fremde Liegenschaft in der Annahme in Anspruch, dazu berechtigt zu sein, hat derjenige das Vorliegen einer (einer Ersitzung hinderlichen) Unredlichkeit zu beweisen, der sie behauptet. Die Redlichkeit fehlt regelmäßig nur dann, wenn dem Nutzer der Umstand einer bloß obligatorischen Gebrauchsüberlassung bekannt ist oder bei ausreichender Sorgfalt bekannt sein muss. Sollte sich im weiteren Verfahren ergeben, dass der Energieversorger das von ihm behauptete dingliche Recht ersessen hat, stünde der GmbH Preisminderung im Ausmaß des mit der Nutzungseinschränkung der Liegenschaft verbundenen Minderwerts zu. Die Gewährleistung ist auch nicht wegen der Offensichtlichkeit der Nutzung durch den Energieversorger ausgeschlossen, weil sich ein Erwerber auf die Zusage der Lastenfreiheit verlassen und von einer näheren Prüfung des Objekts Abstand nehmen darf.